Das Durchleitungsmodell als Schlüssel für einen fairen und wettbewerblichen Fahrstrommarkt
Gemeinsames Positionspapier des ZDK, VDIK und BBM
Der steigende Bedarf an verlässlicher, transparenter und kundenorientierter Ladeinfrastruktur macht eine zukunftsfähige Ausgestaltung des Fahrstrommarktes dringlicher denn je. Vor diesem Hintergrund legen der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK), der Verband der Internationalen Kraftfahrzeughersteller (VDIK) und der Bundesverband Betriebliche Mobilität (BBM) dieses gemeinsame Positionspapier vor.
Gemeinsam vertreten diese drei Organisationen einen wesentlichen Teil der automobilen Wert-schöpfungskette in Deutschland: das Kfz-Gewerbe mit seinen bundesweit rund 40.000 Betrieben, die in Beratung und Verkauf genau wissen, was die Kundinnen und Kunden fürchten und benötigen, die internationalen Fahrzeughersteller als zentrale Treiber moderner Antriebstechnologien sowie die betrieblichen Mobilitätsakteure, die täglich über die praktische Umsetzung und Wirtschaftlichkeit neuer Mobilitätsformen entscheiden. Damit verfügen die Verbände über einen erheblichen Einfluss auf die Gestaltung der Antriebs- und Mobilitätswende – von der Markteinführung innovativer Fahrzeugtechnologien über die Beratung zu Kauf und Betrieb von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben Ladeinfrastruktur bis hin zur Elektrifizierung großer Fahrzeugflotten.
Ziel dieses gemeinsamen Papiers ist es, die Chancen des Durchleitungsmodells klar herauszustellen, praktikable Lösungswege aufzuzeigen und zentrale politische Impulse zu formulieren, die eine nach-haltige, wettbewerbliche und verbraucherfreundliche Weiterentwicklung des Marktes ermöglichen.
1. Ausgangslage
Laden muss für alle Nutzergruppen unkompliziert, fair und kostengünstig sein. Mit dem sogenannten Durchleitungsmodell wird Nutzerinnen und Nutzern von Elektrofahrzeugen ermöglicht, ihren eigenen Stromtarif auch an öffentlichen oder halböffentlichen Ladepunkten zu verwenden. Der physische Stromfluss erfolgt dabei über die Infrastruktur des Ladepunktbetreibers (Charge Point Operator, CPO), der dafür ein transparentes Nutzungsentgelt erhält. Dieses Modell fördert die Wahlfreiheit der Kundinnen und Kunden beim Stromtarif, schafft Preistransparenz und stärkt den Wettbewerb im Markt für Fahrstrom.
Im Rahmen des Deutschlandnetzes für Lkw wird das Durchleitungsmodell bereits erfolgreich umgesetzt. Es bildet dort die Grundlage für einen diskriminierungsfreien Marktzugang und sorgt für faire Wettbewerbsbedingungen an der Ladesäule. Die positiven Erfahrungen aus dieser Anwendung belegen, dass das Modell technisch umsetzbar, wirtschaftlich tragfähig und von Nutzerseite akzeptiert ist.
2. Bewertung des Durchleitungsmodells
Die unterzeichnen Verbände bewertet das Durchleitungsmodell als einen entscheidenden Schritt hin zu mehr Markttransparenz, Wahlfreiheit und Verbraucherfreundlichkeit in der Elektromobilität. Es schafft faire Rahmenbedingungen für Kundinnen und Kunden, die ihren bevorzugten Stromanbieter unabhängig vom Ladepunktbetreiber nutzen möchten. Damit wird das Preisgefüge im öffentlichen Laden nachvollziehbar und vergleichbar, was das Vertrauen in die Elektromobilität stärkt.
Das Modell ermöglicht echten Wettbewerb an der Ladesäule: Stromanbieter können über attraktive Tarife, Servicequalität oder dynamische Preismodelle miteinander konkurrieren. Dadurch entsteht Preisdruck, der letztlich den Verbraucherinnen und Verbrauchern zugutekommt. Für diese bedeutet dies Kostensicherheit und Transparenz – sie laden zu ihrem eigenen Tarif, überall und ohne Tarif-Chaos.
Zugleich räumt das Modell mit zentralen Hemmnissen der bisherigen Marktstruktur auf. Statt einer Vielzahl unterschiedlicher Anbieter, Abrechnungssysteme und Roaminggebühren schafft es einheitliche, verbraucherorientierte Strukturen. Der administrative Aufwand sinkt deutlich, und die Nutzung wird einfacher: Ein Vertrag, ein Preis, ein Anbieter – unabhängig vom Ladeort. Das steigert die Nutzerfreundlichkeit insbesondere für Vielfahrer, Flotten und Gewerbetreibende.
Die erfolgreiche Anwendung im Lkw-Sektor zeigt, dass sowohl die technische Durchleitung als auch die faire Vergütung des CPOs ohne übermäßigen Aufwand umsetzbar sind. Die Entgelte können auf Basis nachvollziehbarer Kostenmodelle ermittelt und transparent kommuniziert werden – ein Ansatz, der Investitionen fördert und gleichzeitig faire Marktbedingungen sichert.
Für betriebliche Flotten eröffnet das Durchleitungsmodell erhebliche Chancen. Unternehmen können ihre bestehenden Stromlieferverträge – inklusive Sonderkonditionen, Mengenrabatten oder dynamischen Tarifen – direkt auf den öffentlichen Ladeprozess übertragen. Dadurch können die Energiekosten pro Kilometer kalkulierbarer und oft deutlich günstiger werden. Gleichzeitig entfällt die Fragmentierung in unterschiedliche Lade- und Abrechnungssysteme, was die Verwaltung erheblich verein-facht: Ein Tarif, eine Abrechnung, ein Ansprechpartner – unabhängig davon, wo Fahrzeuge geladen werden. Dies erhöht die Transparenz im Fuhrparkmanagement, senkt den administrativen Aufwand und ermöglicht eine präzisere Kostensteuerung. Zudem können Unternehmen ihre Strombeschaffung strategischer gestalten, etwa durch den gezielten Einsatz von Grünstrom oder zeitvariablen Tarifen. Insgesamt stärkt das Modell die Wirtschaftlichkeit elektrischer Flotten und beschleunigt ihre Integration in den betrieblichen Alltag.
Für Ladeinfrastrukturbetreiber bietet das Modell zudem Planungs- und Ertragssicherheit: Sie erhalten ein festes, kalkulierbares Durchleitungsentgelt für die Nutzung ihrer Infrastruktur. Das senkt das wirtschaftliche Risiko und ermöglicht eine stabile Refinanzierung der Anlagen. Insgesamt führt das Modell zu einer klaren Aufgabenteilung: Die CPOs stellen Infrastruktur bereit, während die Stromanbieter für Preisgestaltung, Kundenbindung und Energiequalität verantwortlich sind. Das stärkt die Marktrolle beider Akteure und schafft Transparenz für alle Beteiligten.
3. Politische Forderungen und Umsetzungsschritte
Um die Potenziale des Durchleitungsmodells voll auszuschöpfen und gleichzeitig unerwünschte Marktverwerfungen zu vermeiden, ist eine sorgfältige regulatorische Ausgestaltung sowie eine europäisch harmonisierte Umsetzung unerlässlich. Nur wenn klare, faire und technologieneutrale Rahmenbedingungen geschaffen werden, können sowohl Wettbewerbsneutralität als auch die Investitionsbereitschaft der Marktakteure dauerhaft gesichert werden. Vor diesem Hintergrund ergeben sich die folgenden politischen Forderungen.
Verankerung im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG):
Das Durchleitungsmodell sollte als fester Bestandteil des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) rechtlich verankert werden, um Planungssicherheit und einheitliche Rahmenbedingungen für alle Marktakteure zu schaffen. Dabei muss der Gesetzgeber klarstellen, dass Betreiber öffentlicher und halböffentlicher Ladepunkte verpflichtet sind, Dritten diskriminierungsfreien Zugang zur Durchleitung von Strom zu gewähren. Gleichzeitig sind die Rechte und Pflichten zwischen Stromlieferanten, Ladepunktbetreibern und Netzbetreibern eindeutig zu definieren.
Das EnWG sollte zudem eine Regelung zur Ermittlung und Transparenz der Durchleitungsentgelte enthalten, die sich an den tatsächlichen Infrastrukturkosten orientiert und eine angemessene, aber wettbewerbskonforme Vergütung der Betreiber sicherstellt. So wird gewährleistet, dass das Modell wirtschaftlich tragfähig bleibt und Preisvorteile für Verbraucher nicht durch überhöhte Entgelte auf-gehoben werden.
Darüber hinaus ist eine Verordnungsermächtigung vorzusehen, die es ermöglicht, technische, organisatorische und abrechnungstechnische Details flexibel an künftige Entwicklungen der Lade- und Abrechnungssysteme anzupassen.
Ergänzend dazu begrüßen die unterzeichnenden Verbände die vorgesehenen Klarstellungen zur Steuerschuld in § 5a Absätze 3–6 Stromsteuergesetz (StromStG). Diese neue Regelung ermöglicht, dass auch Stromlieferungen im Durchleitungsmodell künftig von einer stark vereinfachten Systematik bei der Erhebung der Stromsteuer profitieren können. Diese steuerliche Entlastung senkt den administrativen Aufwand erheblich und verbessert die Wirtschaftlichkeit des Modells. Sie ist damit ein wichtiger Baustein, um die Marktdurchdringung des Durchleitungsmodells zu fördern.
Standardisierung der Abrechnungssysteme:
Entwicklung technischer Standards zur ladevorgangscharfen Energiemengenzuordnung und interoperablen Kommunikation zwischen Stromlieferanten und Ladepunkten.
Förderung der technischen Nachrüstung:
Finanzielle Unterstützung für den Umbau bestehender Ladesäulen, um die Kompatibilität mit dem Durchleitungsmodell sicherzustellen.
Verpflichtende Berücksichtigung in öffentlichen Ausschreibungen:
Das Durchleitungsmodell sollte verbindlich in künftigen Förderprogrammen und Ausschreibungen verankert werden – analog zum Lkw-Deutschlandnetz.
Transparente Preisgestaltung:
Veröffentlichung standardisierter Durchleitungsentgelte, die auf nachvollziehbaren Kosten basieren und fairen Wettbewerb ermöglichen. Der ZDK fordert die Umsetzung der AFIR ohne zusätzliche rein nationale bürokratische Belastungen für Ladepunktbetreiber.
4. Fazit
Das Durchleitungsmodell ist ein zentraler Baustein für eine verbraucherfreundliche, wettbewerbliche und marktwirtschaftlich strukturierte Elektromobilität. Es sorgt für faire Preise, transparente Abrechnung und stärkt die Wahlfreiheit der Kunden beim Stromtarif. Im Lkw-Sektor hat sich das Modell bereits erfolgreich bewährt – nun gilt es, diese positiven Erfahrungen auf den Pkw- und Nutzfahrzeugbereich zu übertragen.
Der ZDK fordert die Politik auf, die rechtlichen und technischen Rahmenbedingungen zügig anzupassen, damit das Durchleitungsmodell flächendeckend Anwendung findet. Nur so wird Elektromobilität preislich attraktiv, organisatorisch einfach und gesellschaftlich breit akzeptiert – im Sinne der Verbraucher, der Betriebe und einer nachhaltigen Mobilitätswende.
